Ursula KOCH

Kurz vor der geplanten Premiere des 23. Stückes „Zugluft“ der Herbstzeitlosen, dem ersten Gießener Seniorentheater, ist dessen Gründerin, Oberstudienrätin Ursula Koch, nach kurzer Krankheit gestorben. Bis zu ihrem Tod leitete sie das Seniorentheater, schrieb die Stücke und führte Regie. Zudem lenkte sie über viele Jahre zwei Literaturkreise, war aktives Gemeindemitglied der Lukasgemeinde und arbeitete regelmäßig bei der Gemeindezeitung, dem Lukasboten, mit.

Vor ihrer Pensionierung war sie Oberstudienrätin an der Liebigschule und unterrichtete die Fächer Latein und Deutsch. Vielen wird sie auch als Zeitzeugin der nationalsozialistischen Zeit in Erinnerung sein. Sie konnte detailgetreu ihre Erlebnisse und Erinnerungen aus der NS-Zeit, über die Judendeportation aus Gießen und das studentische Leben in der Diktatur und der Nachkriegszeit schildern.

Am 9. Juni 1923 wurde sie in Stuttgart geboren. Ihr Vater, der Ethnologe Theodor Koch-Grünberg, leitete dort das Lindenmuseum, ein Museum für Völkerkunde. Er starb bei einer Expedition in Südamerika, als sie gerade ein Jahr alt war. Anschließend zog ihre Mutter nach Gießen um. Nach der Grundschule besuchte sie das Landgraf-Ludwigs-Gymnasium. Siebzehnjährig machte sie 1941 ihr Abitur und begann mit Begeisterung, Deutsch, Spanisch und Englisch zu studieren. Während des Studiums begriff sie, wie wichtig der Lehrerberuf sei. Als zweites Hauptfach wählte sie Latein. Da 1944 der Lehrbetrieb in Gießen eingestellt wurde, legte sie nach dem Krieg ihr Examen in Marburg ab.

Nach beruflichen Stationen in Wiesbaden, Hadamar und Grünberg kam sie 1959 an die Liebigschule, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1988 unterrichtete. „Ich bin gerne Lehrerin geworden“, betonte sie immer wieder. Und als Schüler spürte man die Leidenschaft, mit der sie ihren Beruf ausübte. Dabei vermittelte sie unzähligen Schülern vor allem ihre Begeisterung für die deutsche Literatur und die lateinische Grammatik. Sie gehörte zu den unverkennbaren Lehrerpersönlichkeiten, die die Schulzeit ihrer Schüler nachhaltig prägten. Sie war streng und fordernd, hatte aber auch immer ein offenes Ohr für ihre Schüler. Viele von ihnen hielten nach dem Abitur den Kontakt aufrecht, schätzten ihre Kompetenz, ihre konstruktive Kritik und ihre Genauigkeit in Sachen Literatur, Grammatik und Latein, aber auch ihre liebenswürdige Art.

Darüber hinaus gehörte ihre Liebe dem Theater. Sie gründete nach ihrer Pensionierung 1988 das erste Seniorentheater Gießens, die Herbstzeitlosen. Von Anfang an schrieb sie jedes Jahr ein Stück, das unter ihrer Regie zur Aufführung kam. Insgesamt verfasste sie 23 Stücke, nicht mitgezählt sind die vielen anderen Werke, die sie für die verschiedensten Gruppierungen schrieb. Daneben war sie lange Zeit im Kirchenvorstand der Lukasgemeinde aktiv und leitete zwei Literaturkreise bis zu ihrem Tod. Dabei war sie in der Welt der Neuerscheinungen ebenso kompetent wie in der Analyse eines Klassikers.

2009 erhielt Ursula Koch das Bundesverdienstkreuz. 2003 hatte sie den Ehrenbrief des Landes Hessen verliehen bekommen, beides aufgrund ihrer besonderen Leistungen im Rahmen ihrer Arbeit für das Seniorentheater.

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